Freitag, 12. Oktober 2012

Faking It: Manipulated Photography Before Photoshop



Gestern eröffnete das Metropolitan Museum in New York die Ausstellung Faking It: Manipulated Photography Before Photoshop, die von Mia Fineman kuratiert wurde. Anlässlich dieser Ausstellung präsentiere ich hier eine amerikanische 'Real Photo Postcard' aus der Zeit um 1915 aus meiner Sammlung, von der ich nicht genau sagen kann, ob es sich um eine sehr geschickte Doppelbelichtung oder um eine nachträgliche Fotomontage handelt. Nichts im Bild deutet auf eine der beiden Möglichkeiten hin. Das Foto zeigt jedenfalls keine Zwillinge, sondern zweimal das gleiche Mädchen, en face und im Halbprofil, und das Halbprofil ist auch kein Spiegelbild!
Wegen des großen Hutes erinnert mich diese Fotografie immer an das Maler-und-Modell-Porträt von Henri de Toulouse-Lautrec das Maurice Guibert um 1900 gefertigt hat, und das in der Ausstellung gezeigt wird.
Weiter Trickphotographien aus meiner Sammlung HIER.

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Schnell-Photo von A. Wertheim - Soldat mit Zwirbelbart

Foto 48 x 32 mm
„Vor allem bei WERTHEIM Leipzigerstraße gab es nichts, was es nicht gab – mit allen Mitteln versuchte die Geschäfts- leitung, die Kunden zufrieden zu stellen, was sich auch auf das Angebot im „PHOTOGRAPHISCHEN ATELIER“ und auf die Abteilung mit Fotoartikeln auswirkte. Obwohl auch HERMANN TIETZ versuchte, eine ähnliche Geschäftsidee zu entwickeln, konnten andere Warenhäuser mit dem Konkurrenten Wertheim kaum mithalten. Neben den gebräuchlichen Formaten in verschiedenen Ausführungen stellte das Atelier Wertheim u.a. kleine Schnellfotografien für Ausweise und Erinnerungspostkarten her, daneben Drucke verschiedenster Art und Fotografien im Sonderformat, beispielsweise in Lebensgröße.“
Jeanne R. Rehnig: „Fotografie für alle! Berliner Warenhausfotoateliers 1893 – 1933“, in: Fotografien vom Alltag – Fotografieren als Alltag, Irene Ziehe,Ulrich Hägele (Hg.), Lit Verlag, Münster 2004, S. 199-216, hier S. 202

Ein getreuer Untertan von Wilhelm II., der seinem offensichtlichem Vorbild, mit dem er ohnehin eine gewisse Ähnlichkeit hat, auch in der Barttracht folgt, hat hier das Angebot der A. Wertheim GmbH angenommen. Ganz der Staatsmann schaut er nicht in die Kamera sondern in eine unbestimmte Ferne, die sich später konkret als Elend im Schützengraben erweisen wird.
     

Dienstag, 2. Oktober 2012

1. Nachtrag zur Daguerreotypie von Joh. Richter: Vaters Vater Stoldt

Mettlacher Steinzeug, Entwurf 1844

Es kann hier von einem sehr erfreulichen ‚interdisziplinären‘ Forschungsergebnis berichten werden, das die Veröffentlichung der beiden Daguerreotypien von Joh. Richter auf der Internetseite von Jochen Voigt daguerreotype-gallery.de und in diesem Blog ausgelöst hat. Ein zentrales Motiv meines ersten Berichtes dort war die abgebildete Vase, die die Zuschreibung des Porträts von Großvater Stoldt an Joh. Richter erst möglich gemacht hatte.
Ein Helmut W., Sammler von Daguerreotypien, hatte eine Vermutung und benachrichtigte Horst Barbian, einen Freund und Kenner von Mettlacher Steinzeug. Der ging der Sache auf den Grund und hat erste Ergebnisse gerade im Mitteilungsblatt der Mettlacher Steinzeugsammler e.V. veröffentlicht ("Bitte recht freundlich! Mettlacher Steinzeug als Dekorationsobjekte in frühen Photographien um 1850", in: Mettlacher Turm, Nr. 108, September 2012, S. 10-11). Bei der Vase handelt es sich nach Barbian „um ein 1844, von Ludwig Foltz, für Villeroy & Boch entworfenes Modell, das in der späteren Steinzeugproduktion von Mettlach die Modellnummer 11 erhielt“. Barbian präsentiert auch gleich die Abbildung einer erhaltenen, direkt vergleichbaren Vase. Hier ist das florale Dekor zwar silbrig gefasst, aber die Form und die Reliefs scheinen identisch zu sein. Ein weiteres vergleichbares Stück, mit einem tanzenden Paar als zentralem Relief, wurde am 16. Mai 2010 in Amerika von der Four Seasons Auction Gallery, 4010 Nine McFarland Rd., Alpharetta, GA 30004, versteigert (Lot 11, Vilroy & Boch Mettlach German Cameo Vase, 1836-1855). Was ich auf der Grundlage der Daguerreotypie zunächst als „männliche Masken“ unterhalb der Henkel identifiziert hatte, sind in Wahrheit Darstellungen von bäuerlich gekleideten Männern, die auf ihren Schultern, wie Atlanten, mit gebeugtem Oberkörper scheinbar den unteren Henkelansatz tragen. In Gegensatz zu diesem architektonischen Motiv des Tragen und Lastens zeigen die zentralen Reliefs mit wehenden Gewändern tänzerische Leichtigkeit. Vielleicht spielt diese Opposition direkt auf die feste Form und den flüchtigen Inhalt einer Vase an.
Inspiriert von diesen zeitgenössischen, frühen fotografischen Dokumentationen von Keramik recherchierte Barbian weiter und konnte gleich eine Reihe weiterer Dekorationsobjekte in Daguerreotypien, insbesondere aus der Sammlung Hermann Krone in der TU Dresden als Mettlacher Steinzeug identifizieren. Verlängert man diese Ansätze in die Zukunft scheint mir hier ein sehr fruchtbarer Informationsaustausch zwischen Forschern zur Keramik und solchen zur Fotografie möglich, der in beiden Richtungen zu ganz neuen Erkenntnissen und Zuschreibungen führen wird.
Ich danke Ulrich Linnemann, der den Kontakt zu Horst Barbian vermittelte.